In diesem Beitrag aus dem WatchTime-Archiv nehmen wir die 2016 erschienene Neomatik-Version der bekannten Tangente von Nomos GlashĂŒtteunter die Lupe, die in diesem Jahr zum ersten Mal mit einem automatischen Uhrwerk ausgestattet wurde.
Wir kennen die Uhr Tangente von Nomos GlashĂŒtte seit ihrer EinfĂŒhrung im Jahr 1992. Das Letzte, was wir erwarteten, war eine tiefgreifende VerĂ€nderung. Doch 2016 hat Nomos der Uhr ein neues Automatikwerk spendiert und sie in seine Neomatik-Kollektion aufgenommen.
Diese Version der Nomos Tangente ist aus mehreren GrĂŒnden bemerkenswert. Die GlashĂŒtter Manufaktur hat viele Jahre lang daran gearbeitet, sich von Schweizer Werklieferanten unabhĂ€ngig zu machen: zunĂ€chst mit Einzelkomponenten, dann mit einer eigenen Hemmungsbaugruppe (die sie “Swing-System” nennt) und 2016 mit dem Automatikkaliber DUW 3001, einem neu entwickelten Automatikwerk, das in der Tangente Neomatik und anderen Nomos-Modellen tickt. “DUW” steht fĂŒr “Deutsche Uhrenwerke” und verweist auf die Auszeichnung von Nomos als Hersteller eigener Uhrwerke.
Alles ĂŒber das Kaliber DUW 3001
Mit einer Gesamthöhe von nur 3,2 mm ist das 10. Uhrwerk von Nomos nur 0,3 mm dicker als sein Pendant mit Handaufzug, sodass es in das GehĂ€use der ursprĂŒnglichen Tangente passt. Obwohl die neueste Tangente mit dem neuen Automatikwerk der Marke ausgestattet ist, bleibt sie in der Preisklasse von 1.500 bis 6.000 Dollar* fĂŒr Edelstahlmodelle: Die bekannte Version mit Handaufzug kostet 1.900 Dollar* mit Stahlboden und 2.180 Dollar* mit Saphirboden; der Tangomat mit Automatikwerk ist fĂŒr 3.280 Dollar* zu haben und die Tangente Neomatik kostet 3.460 Dollar*.
Nomos konnte den Preis aus zwei GrĂŒnden niedrig halten: Umfangreiche Forschungen und Berechnungen, zum Teil in Zusammenarbeit mit der Technischen UniversitĂ€t Dresden, ermöglichten die Serienfertigung des neuen Uhrwerks, und das Unternehmen fĂŒhrte hochmoderne Fertigungs- und Montagetechniken ein, die es ermöglichten, das Produktionsvolumen zu erhöhen.
Diese Ziele wurden dem Ingenieurteam von Anfang an vorgestellt, so dass die Details der Fertigung, Montage und Wartung die Entwicklungsarbeit von Anfang an beeinflussten. Eines der Ergebnisse: Das Kaliber DUW 3001 wird in nur drei Schritten zusammengebaut, wĂ€hrend fĂŒr frĂŒhere Nomos-Kaliber fĂŒnf Schritte erforderlich waren. “Jetzt, wo wir den Bau von Uhrwerken vollstĂ€ndig beherrschen, können wir alles in Frage stellen”, sagt Chefkonstrukteur Mirko Heyne.
Theodor Prenzel, der Konstrukteur des DUW 3001, sagt: “Deshalb kam fĂŒr unser neues Kaliber auch nichts anderes als ein völlig neuer Ansatz in Frage. Wir haben viele Details in der klassischen Konstruktion verĂ€ndert und sind letztlich zu einem völlig neuen Werk gekommen.”
Die Uhrwerkentwickler widmeten ihre Aufmerksamkeit zunĂ€chst dem RĂ€derwerk. Obwohl seine Konstruktion bereits 2009 in Zusammenarbeit mit der Technischen UniversitĂ€t Dresden neu berechnet worden war, nahmen die Techniker sie erneut unter die Lupe und passten sie speziell fĂŒr dieses Kaliber an. Durch die VerĂ€nderung von Anzahl, Anordnung und Winkeln der ZĂ€hne konnten die Spezialisten den Wirkungsgrad des RĂ€derwerks um 10 Prozent auf beeindruckende 94,2 Prozent steigern.
Das ist an sich schon eine enorme Verbesserung, aber sie ist noch beeindruckender, wenn man bedenkt, dass die ĂŒblichen Toleranzen fĂŒr dieses ultraflache Uhrwerk halbiert werden mussten, das nur 1 mm Höhe zwischen der Grundplatte und der Dreiviertelplatine bietet, um die rotierenden Komponenten aufzunehmen.
Das liegt unter dem Dreiviertel-Teller …
GemÀà der GlashĂŒtter Tradition versuchen die Uhrmacher, so viele Mechanismen wie möglich unter der Dreiviertelplatine unterzubringen. Nomos ist in diesem BemĂŒhen noch einen Schritt weiter gegangen. Die fĂŒr GlashĂŒtte charakteristische groĂzĂŒgige BrĂŒcke verdeckt nicht nur das RĂ€derwerk: Auch das Sperrrad, das nur noch halb so hoch ist wie sein VorgĂ€nger, verschwindet unter der Dreiviertelplatine, ebenso wie das Doppelklickrad fĂŒr den automatischen Aufzug. Genau genommen handelt es sich beim Doppelklickrad um eine ganze Baugruppe, die die bidirektionalen Bewegungen des Rotors in eine unidirektionale Aktion zum Spannen der Aufzugsfeder umwandelt. Dieser Ă€uĂerst effiziente Mechanismus arbeitet mit einem Umkehrwinkel von nur 10 Grad. Zum Vergleich: Der entsprechende Winkel betrĂ€gt 27 Grad beim ETA 2824 und 42 Grad beim Rolex-Kaliber 3135. Die Verringerung des Winkels auf 10 Grad bedeutet, dass insgesamt weniger Energie zum Aufziehen des DUW 3001 benötigt wird.
Sogar fĂŒr das Klinkenrad haben die Entwickler einen neuen Werkstoff verwendet. Sie wĂ€hlten einen Stoff, der sich leicht verarbeiten lĂ€sst, schnell aushĂ€rtet, durch Abrieb weniger Masse verliert und nahezu ohne axiale ExzentrizitĂ€t lĂ€uft. Um Platz fĂŒr den automatischen Aufzugsmechanismus zu schaffen, schwingen die Nomos-eigene Unruh und ihre geblĂ€ute Carl-Haas-Unruhspirale unter einer BrĂŒcke. Auch das sorgt fĂŒr mehr StabilitĂ€t und damit fĂŒr einen prĂ€ziseren Gang.
Aber die Genauigkeit der Rate ist in erster Linie auf den neu berechneten Kraftfluss zurĂŒckzufĂŒhren. Der Kraftfluss geht vom niedrig liegenden Lauf aus, der zwangslĂ€ufig eine schmalere Zugfeder enthĂ€lt. Diese Feder enthĂ€lt weniger Material, so dass sie eine geringere Zugkraft ausĂŒbt. Trotz der geringeren Energie, die aus dem Federhaus flieĂt, wo das Drehmoment nur 670 gmm betrĂ€gt (im Vergleich zu 800 gmm beim Rolex Kaliber 3135 und 1.200 gmm beim ETA 2824), sorgt das optimierte RĂ€derwerk dafĂŒr, dass die gleiche Energiemenge am Schwingsystem ankommt. Unsere Tests bestĂ€tigten gute Gangwerte und zufriedenstellende Amplituden in verschiedenen Lagen.
Eine weitere genaue Berechnung wurde zwischen dem automatischen Rotor und dem Federhaus oder, genauer gesagt, der Triebfeder durchgefĂŒhrt. Je fester die Aufzugsfeder aufgezogen wird, desto langsamer bewegt sich der Rotor, bis die Gegenkraft der Aufzugsfeder die Bewegung des Rotors vollstĂ€ndig stoppt. Diese “Rotorbremse” verringert den VerschleiĂ und lĂ€sst die Uhr gerĂ€uschĂ€rmer laufen, da sie verhindert, dass sich der Rotor nach dem vollstĂ€ndigen Aufziehen der Triebfeder unnötig weiterdreht.
Blick durch den Saphirboden
Selten erscheint das Newtonsche Gesetz von Aktion und Reaktion einfacher und auĂergewöhnlicher als beim Blick durch den Saphirboden der Tangente Neomatik. Sie werden erstaunt sein, dass der Rotor unbeweglich erscheint und perplexe Blicke auf die Technik werfen. AuĂerdem sehen Sie die schönen Akzente der GlashĂŒtter Uhrmachertradition: Streifenmuster auf den BrĂŒcken und dem Rotor, die kreisförmige Maserung von Nomos auf der Grundplatine, geblĂ€ute Schrauben und, wenn Sie genau hinsehen, eine geblĂ€ute Unruhspirale. Ein weiterer technischer Leckerbissen wartet ebenfalls darauf, entdeckt zu werden: die Oberseite der Baugruppe, die die kinetische Energie des Rotors unabhĂ€ngig von seiner Drehrichtung zum automatischen Aufziehen der Aufzugsfeder ĂŒbertrĂ€gt. Die Dreiviertelplatine ist mit der Seriennummer des Uhrwerks graviert. Eine zweite Gravur am schmalen Rand des GehĂ€usebodens weist darauf hin, dass unsere getestete Uhr zur “1st edition” gehört. GemÀà dem Nummerierungssystem der DUW umfasst diese erste Serie 3.001 Kaliber in 10 verschiedenen Modellen: je zwei Versionen fĂŒr die Tangente Neomatik, die Ludwig, die Metro, die Orion und die Minimatik.
Das zweiteilige GehĂ€use der Tangente ist in fast allen anderen Aspekten unverĂ€ndert: Es bleibt ein glĂ€nzender, 6,9 mm hoher, geradliniger Zylinder mit einer sehr schmalen LĂŒnette, markant abgewinkelten BandanstöĂen, einem Saphirglas ĂŒber dem Zifferblatt, einem Saphirfenster im GehĂ€useboden und einer Wasserdichtigkeit bis 30 Meter.
Und nicht zuletzt: Das Erscheinungsbild der Nomos GlashĂŒtte Tangente Neomatik
Unsere getestete Uhr ist wie ĂŒblich an einem attraktiven Horween Genuine Shell Cordovan-Armband befestigt, obwohl fĂŒr die Champagne-Version auch ein pflanzlich gegerbtes Rindslederarmband erhĂ€ltlich ist. Das handgenĂ€hte, rembordierte Rindslederband ist etwas steif, so dass die 35-mm-Tangente anfangs etwas schwerfĂ€llig sitzt, was sich aber bald bessert. Die DornschlieĂe funktioniert gut. Der geschlossene Rahmen der SchlieĂe macht zwei GĂŒrtelschlaufen am Lederband ĂŒberflĂŒssig. Vom ersten Tag an fanden wir es unerwartet glatt und einfach, das Ende des Riemens durch die Schnalle zu ziehen.
Die Details auf dem Zifferblatt der Tangente sorgen dafĂŒr, dass diese Uhr wie eine Neomatik aussieht. Lange, schlanke, schwarz eloxierte Zeiger zeigen auf Indexstriche fĂŒr die ungeraden Stunden und auf arabische Ziffern fĂŒr die geraden Stunden, auĂer bei 6, wo die Ziffer durch ein mit konzentrischen Kreisen verziertes Hilfszifferblatt fĂŒr die Sekunden ersetzt wird. Ein auffĂ€lliger roter Zeiger umkreist diese kleine Scheibe, die mit drei verschiedenen Arten von Indexstrichen und einem Quartett arabischer Ziffern versehen ist. Die gleiche rote Farbe wird auf dem Zifferblatt fĂŒr den Namen dieser Uhrenlinie verwendet: “Neomatik” ist klein geschrieben, mit abschlieĂendem “k” und zentriert unter den Namen “NOMOS” und “GlashĂŒtte”, zwischen der 11 und der 1. Die Ziffern fĂŒr die 5-Minuten-Markierungen am Rand des Zifferblatts sind leuchtend blau: Schade nur, dass die cyanfarbene Farbe nicht im Dunkeln leuchtet.
MERKMALE:
Hersteller: Nomos GlashĂŒtte/SA Roland Schwertner KG, Ferdinand-Adolph-Lange-Platz 2, 01768 D-GlashĂŒtte, Deutschland
Kennziffer: 171
Funktionen: Stunden, Minuten, kleine Sekunde
Uhrwerk: Eigenes Kaliber DUW 3001, automatisch, 21.600 U/min, Nomos-Schwingsystem-Unruh, Incabloc-StoĂsicherung, 42 Stunden Gangreserve, Durchmesser = 28,8 mm, Höhe = 3,2 mm
GehÀuse: Edelstahl, Saphirglas, Saphirfenster im GehÀuseboden, wasserdicht bis 30 m
Band und SchlieĂe: Horween Genuine Shell Cordovan Band mit DornschlieĂe aus Edelstahl
Gangresultate (Abweichungen in Sekunden pro 24 Stunden, voll aufgezogen/nach 24 Stunden):
Wahl aufwÀrts +0,2 / +6,0
Zifferblatt abwÀrts +1,0 / +3,5
Krone aufwÀrts +0,7 / +3,0
Krone unten -1,3 / -3,5
Krone links -0,4 / +4,6
GröĂte Abweichung der Rate 2,3 / 9,5
Mittlere Abweichung +0,0 / +2,7
Durchschnittliche Amplitude:
Flache Stellungen 306° / 268°
HÀngende Stellungen 270° / 230°
Abmessungen: Durchmesser = 35,1 mm, Höhe = 7,1 mm, Gewicht = 44 g
Variationen: Champagner-Version ($3.580)
Preis: $3.460*